BGH IX ZB 257/08

Beschluss vom 08.10.09
Fassung InsO vor 01.07.14

Wer spielt

Um was es geht

Verlauf

In dem am 1. September 2004 eröffneten Insolvenzverfahren, in dem der Schuldner Restschuldbefreiung beantragt, kreuzte dieser in einem Anhörungsfragebogen des Insolvenzgerichts an, dass gegen ihn Zivilklagen anhängig seien. Nähere Angaben zu Aktenzeichen, Gegenstand und Person der Kläger machte er nicht. Seit dem Jahr 2000 war eine Klage der p. AG mit einem Streitwert von insgesamt 13.400.000 DM anhängig, mit der unter anderem auch der Schuldner persönlich auf Zahlung von mehr als 1 Mio. DM in Anspruch genommen wurde. Erst aufgrund der öffentlichen Bekanntmachung des Schlusstermins bekam der Kläger dieses Rechtsstreits Kenntnis von dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Er meldete daraufhin eine Forderung von 887.067,10 € an. Diese wurde nach Prüfung im Schlusstermin zur Insolvenztabelle festgestellt, ohne noch an der Schlussverteilung teilzunehmen. Außerdem stellte der Gläubiger Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung. Diesen Antrag hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 15. Januar 2008 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers hatte Erfolg. Das Beschwerdegericht hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung wegen der Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO) versagt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Ziel, Restschuldbefreiung angekündigt zu erhalten, weiter.

Ergebnis

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

1. Die von der Rechtsbeschwerdebegründung für grundsätzlich erachtete Frage, ob Versagungsantragsteller auch ein Gläubiger sein kann, dessen Forderung möglicherweise nicht an der Schlussverteilung teilnimmt, ist geklärt. Nach der Rechtsprechung des Senats können Versagungsanträge von Gläubigern gestellt werden, die ihre Forderung angemeldet haben (BGH, Beschl. v. 22. Februar 2007 – IX ZB 120/05, ZInsO 2007, 446). Dies entspricht auch sonst ganz herrschender Auffassung (LG Göttingen NZI 2007, 734; AG Hamburg ZVI 2004, 261; ZInsO 2005, 1060; ZInsO 2008, 984; HmbKomm-InsO/Streck, 3. Aufl. § 290 Rn. 2; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 290 Rn. 35; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 290 Rn. 1; FK-InsO/Ahrens, 5. Aufl. § 290 Rn. 57 a; G. Pape NZI 2004, 1, 4 f; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl. § 290 Rn. 14; der entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht verlangt, dass die Forderung noch in das Schlussverzeichnis aufgenommen werden kann). Soweit verlangt wird, dass bei bestrittenen Forderungen der Nachweis der Klageerhebung nach § 189 Abs. 1 InsO geführt wird (AG Hamburg ZInsO 2005, 1060), kommt es hierauf vorliegend nicht an, weil die Forderung zur Tabelle festgestellt ist. Der Hinweis auf die abweichende Meinung des AG Köln (NZI 2002, 218 f), das eine Anmeldung der Forderung im Verfahren nicht für erforderlich hält (so auch LG Traunstein, ZInsO 2003, 814, 815; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 290 Rn. 3; Frege/Keller/Riedel, Handbuch der Rechtspraxis Insolvenzrecht Rn. 2105; Büttner ZVI 2007, 116, 117), kann der Rechtsbeschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil – würde man dieser Auffassung folgen – die Antragsbefugnis des weiteren Beteiligten zu 1 erst recht gegeben wäre. Ob die Forderung nach Prüfung im Schlusstermin an den Verteilungen noch teilnimmt (vgl. BGH, Beschl. v. 22. März 2007 – IX ZB 8/05, ZInsO 2007, 493), ist für die Antragsbefugnis unerheblich.

2. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, was unter grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu verstehen ist (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2009 – IX ZB 63/08, ZInsO 2009, 1459, 1460 Rn. 13; v. 19. März 2009 – IX ZB 212/08, ZInsO 2009, 786, 787 Rn. 7 m.w.H.). Dies sieht auch die Rechtsbeschwerde so. Die Feststellung der Voraussetzungen grober Fahrlässigkeit ist Sache des Tatrichters. Der Nachprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegt nur, ob der Richter den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2009 aaO). Ein derartiger Rechtsfehler liegt hier nicht vor. Der Schuldner muss auch gegen ihn gerichtete Forderungen angeben, deren Bestehen er bestreitet (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2009 S. 1460 Rn. 6 ff). Er erfüllt seine Pflichten nicht, wenn er nur ankreuzt, gegen ihn seien Zivilklagen anhängig. Gläubiger rechtshängiger Forderungen können in einem solchen Fall nicht sachgerecht am Verfahren beteiligt werden. Auf die Frage, ob der Schuldner die zunächst unvollständige Auskunft rechtzeitig – nämlich in einem auf Nachfrage des Insolvenzverwalters zustande gekommenen Gespräch vom 30. September 2004 – ergänzt hat, ist das Beschwerdegericht eingegangen. Es hat die nachgeholte Auskunft als nicht ausreichend angesehen, und insofern macht die Rechtsbeschwerde keinen zulassungsrelevanten Rechtsfehler geltend.

3. Die Frage, ob § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO voraussetzt, dass durch einen Verstoß gegen Auskunfts- bzw. Mitwirkungspflichten des Schuldners die Befriedigungsaussichten der Gläubiger beeinträchtigt werden, ist entschieden (BGH, Beschl. v. 8. Januar 2009 – IX ZB 73/08, ZInsO 2009, 395, 396 f Rn. 8 ff). Eine Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger ist nicht erforderlich. Die Pflichtverletzung des Schuldners muss nur ihrer Art nach geeignet sein, zu einer Benachteiligung der Gläubiger zu führen. Dies ist hier der Fall.

4. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht unverhältnismäßig. Zwar darf bei ganz unwesentlichen Verstößen die Restschuldbefreiung nicht versagt werden (BGH, Beschl. v. 9. Dezember 2004 – IX ZB 132/04, ZInsO 2005, 146; v. 2. Juli 2009 aaO S. 1461 Rn. 15). Das Unterlassen näherer Angaben zu einem Rechtsstreit, in dem es um Millionenbeträge ging, war indessen kein unwesentlicher Verstoß.

Überraschungen

keine

AG Essen, Entscheidung vom 15.01.2008 – 164 IN 82/04 -
LG Essen, Entscheidung vom 15.10.2008 – 7 T 60/08

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