BGH IX ZB 142/11

Beschluss vom 19.05.11
Fassung InsO vor 01.07.14

Wer spielt

Schuldner begehrt Verfahrenskostenstundung, Rechtspfleger widerruft und gewinnt. Berlin

Um was es geht

Verlauf

Schuldner eröffnete ein Girokonto neu, dass er tagsdrauf im Insolvenzantrag nicht angibt und auf spätere Nachfrage auch nicht erklärt. Im weiteren Verlauf offenbart der Schuldner das Konto selbst.

Ergebnis

Der Würdigung des Beschwerdegerichts, dies sei eine Auskunftspflichtverletzung, die die Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO rechtfertigen würde, begegnen im Ergebnis keine Bedenken.

Die Verfahrenskostenstundung wird widerrufen.

(…) Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Rechtsbeschwerde des Schuldners keine Aussicht auf Erfolg hat.

(…) Nach der Vorschrift des § 4a Abs. 1 Satz 3 und 4 InsO ist die Stundung der Verfahrenskosten ausgeschlossen, wenn einer der in § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO genannten Versagungsgründe für die Restschuldbefreiung vorliegt. Diese Regelung ist jedoch nicht abschließend. Sofern bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren zweifelsfrei feststeht, dass der Schuldner aus einem anderen Grund keine Restschuldbefreiung erlangen kann, ist bereits die Stundung der Verfahrenskosten abzulehnen (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2004 – IX ZB 72/03, WM 2005, 472, 473; vom 27. Januar 2005 – IX ZB 270/03, WM 2005, 527; vom 27. Januar 2005 – IX ZA 20/04, juris Rn. 5; vom 15. November 2007 – IX ZB 74/07, WM 2008, 546 Rn. 18). Hiervon sind die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen.

(…) Die Würdigung des Beschwerdegerichts, wonach der Schuldner den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfüllt hat, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.

(…) Nach der Vorschrift des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten während des Insolvenzverfahrens vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt. Hiervon wird auch die Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Eröffnungsverfahren erfasst (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2004, 3 aaO, S. 473; vom 15. November 2007 – IX ZB 159/06, juris Rn. 8). Dabei kann die Restschuldbefreiung wegen der Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners nur versagt werden, wenn die Pflichtverletzung ihrer Art nach geeignet ist, die Befriedigung der Gläubiger zu gefährden, während es nicht darauf ankommt, ob die Befriedigungsaussichten tatsächlich geschmälert worden sind (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 – IX ZB 73/08, WM 2009, 515 Rn. 10 ff; vom 16. Dezember 2010 – IX ZB 63/09, WM 2011, 176 Rn. 5). Ganz geringfügige Pflichtverletzungen führen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zur Versagung der Restschuldbefreiung (BGH, Beschluss vom 20. März 2003 – IX ZB 388/02, WM 2003, 980, 982; vom 3. Juli 2008 – IX ZB 181/07, ZInsO 2008, 975 Rn. 9; vom 17. September 2009 – IX ZB 284/08, WM 2009, 1984 Rn. 9; vom 8. Januar 2009, aaO, Rn. 21). Die Versagung der Restschuldbefreiung ist regelmäßig auch dann unverhältnismäßig, wenn der Schuldner die unterlassene Auskunft von sich aus nachholt, bevor sein Fehlverhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt worden ist (BGH, Beschluss vom 20. März 2003, aaO; vom 17. September 2009, aaO, Rn. 9, 11; vom 16. Dezember 2010, aaO, Rn. 6).

(…) Der Schuldner legt selbst dar, am 1. Juli 2010 ein Girokonto bei der n. bank eröffnet zu haben. Seine Angaben in dem am 2. Juli 2010 eingereichten Insolvenzantrag sowie in seinen späteren Antworten auf die Nachfragen des Insolvenzgerichts, über kein Girokonto zu verfügen, sind daher objektiv unzutreffend gewesen. Die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts, wonach diese Falschangaben nicht auf einem Irrtum beruhen könnten, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

_(…) Das Verschweigen des Bankguthabens war der Art nach geeignet, die Befriedigung der Gläubiger zu beeinträchtigen. Die Versagung der Restschuldbefreiung wegen dieser fehlerhaften Angabe ist auch nicht unverhältnismäßig. Der Schuldner hat sein Bankguthaben nicht nur im Eröffnungsantrag, sondern auch auf mehrere gezielte Nachfragen des Insolvenzgerichts (vgl. § 20 Abs. 1, § 97 Abs. 3 Satz 1 InsO) verschwiegen. Der Umstand, dass der Schuldner die Bankverbindung bei der n. bank schließlich selbst gegenüber dem Insolvenzgericht offenbart hat, führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit einer Versagung der Restschuldbefreiung, zumal der Schuldner auch insoweit in seinem Schreiben vom 4. August 2010 zunächst unzutreffend angegeben hat, “mittlerweile” über ein Girokonto bei der n. bank zu verfügen, obwohl dieses tatsächlich zum Zeitpunkt seines Insolvenzantrags bereits bestanden hat.

Überraschungen

Trotz der eigenen Offenbarung soll es keine Heilung der Auskunftspflichtverletzung im Stundungsverfahren geben.

AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 27.10.2010 – 33 IK 79/10 -
LG Berlin, Entscheidung vom 08.04.2011 – 85 T 441/10 -

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