BGH IX ZR 151/12

Urteil vom 07.05.13
Fassung InsO vor 01.07.14

Wer spielt

Um was es geht

Verlauf

Die Klägerin meldete in dem am 1. Oktober 2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des beklagten Einzelkaufmanns im Dezember 2002 offene Sozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge an, die in Höhe von 55.314,52 € unter laufender Nummer 2 zur Tabelle festgestellt wurden. Mit Schreiben vom 19. Januar 2010 meldete sie hiervon nachträglich 13.737,21 € Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung mit dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung an, weil der Beklagte diese Anteile in den Monaten April bis Juni 2002 nicht abgeführt habe, obwohl er in der gleichen Zeit anderweitige Forderungen in mindestens dieser Höhe bezahlte. Der Insolvenzverwalter teilte dem Insolvenzgericht diese nachträgliche Anmeldung mit und beantragte einen besonderen Termin zu ihrer Prüfung. Mit Beschluss vom 3. September 2010 wurde der Prüfungstermin auf den 25. Oktober 2010 bestimmt, der Beklagte aber nicht über sein Widerspruchsrecht belehrt.

Ebenfalls mit Beschluss vom 3. September 2010 gewährte das Insolvenzgericht dem Beklagten die Restschuldbefreiung. Danach wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Der zuständige Rechtspfleger teilte der Klägerin mit, über die Restschuldbefreiung habe schon vor der Nachtragsanmeldung der Klägerin entschieden werden können; es sei deshalb ungerecht, sie jetzt noch zu berücksichtigen und zu prüfen.

Die Klägerin verfolgt ihre Nachtragsanmeldung im Wege der Feststellungsklage weiter. Der Beklagte beruft sich demgegenüber auf die gewährte Restschuldbefreiung. In den Tatsacheninstanzen ist die Klage ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Ergebnis

(…) Die Revision ist unbegründet. Eine nachträgliche Anmeldung des Anspruchsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung konnte nach Ablauf der sechsjährigen Abtretungszeit des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht mehr wirksam erfolgen.

Das Berufungsgericht ist der Einwendung des Beklagten gefolgt, der Klageanspruch habe aufgrund der ihm erteilten Restschuldbefreiung seine Durchsetzbarkeit verloren. Die Ausnahme des § 302 Nr. 1 InsO greife zugunsten der Klägerin nicht ein. Das Insolvenzgericht habe den Beklagten entgegen § 175 Abs. 2 InsO nicht auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen. In dieser Verfahrenslage stehe die Insolvenzgläubigerin so, als habe sie den Widerspruch des Schuldners gegen den angemeldeten Forderungsgrund der vorsätzlich unerlaubten Handlung nicht beseitigt. Der Beklagte sei in dieser Sache besonders schutzbedürftig, weil er die Wohlverhaltensperiode erfolgreich durchlaufen habe. Der Gläubiger habe mit der Anmeldung des Forderungsgrundes der vorsätzlichen unerlaubten Handlung seine Obliegenheiten im Verfahren noch nicht erfüllt. Habe er die Eintragung einer entsprechenden Feststellung in die Tabelle nicht erwirkt, so könne er sich auch nach den Gesetzesmaterialien nicht mehr darauf berufen, seine Forderung sei von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Das sei auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu entnehmen. Die Klägerin müsse sich zudem vorhalten lassen, nicht gegen die unterbliebene Prüfung ihrer Nachtragsanmeldung erinnert zu haben.

(…) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

(…) Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist zulässig. 5 a) Vorliegend handelt es sich nicht um eine Feststellungsklage nach § 184 InsO.

Hat ein Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet, so kann der Schuldner gegen den Bestand der Forderung oder beschränkt auf den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung Widerspruch einlegen. Verfährt der Schuldner in dieser Weise, kann der Gläubiger nach § 184 InsO Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben (BGH, Urteil vom 18. Januar 2007 – IX ZR 176/05, ZInsO 2007, 265 Rn. 8 ff; vom 18. Dezember 2008 – IX ZR 124/08, ZInsO 2009, 278 Rn. 6 ff; vom 25. Juni 2009 – IX ZR 154/08, ZInsO 2009, 1494 Rn. 6; vom 16. Dezember 2010 – IX ZR 24/10, ZInsO 2011, 244 Rn. 9). Die Anmeldeobliegenheit nach § 174 Abs. 2 InsO und der Schuldnerwiderspruch nach § 175 Abs. 2 InsO öffnen den Weg zu einer Klage nach § 184 InsO (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008, aaO Rn. 12). Im Streitfall hat es die Klägerin jedoch versäumt, ihre Forderung so rechtzeitig unter dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung anzumelden, dass eine Prüfung während des eröffneten Insolvenzverfahrens noch erfolgen konnte. Mithin ist für eine Feststellungsklage nach § 184 InsO kein Raum.

(…) Bei dieser Sachlage kommt hier nur eine allgemeine Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 – IX ZR 187/04, ZInsO 2006, 704 Rn. 10; vom 16. Dezember 2010, aaO Rn. 10). Hiervon sind die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen.

Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das Urteil auf die Feststellungsklage geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH, Urteil vom 22. Juni 1977 – VIII ZR 5/76, BGHZ 69, 144, 147). Ein Interesse für die Klage auf Feststellung eines Anspruchs aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung liegt hier vor, weil damit geklärt werden kann, ob der Klägerin die der Klage zugrunde liegende Forderung ungeachtet der ursprünglich fehlenden Anmeldung des Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung noch nach Erteilung der Restschuldbefreiung gegenüber dem Beklagten verfolgen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2006, aaO; vom 16. Dezember 2010, aaO Rn. 12).

(…) Die Klage bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Infolge der erst nach Ablauf der sechsjährigen Abtretungsfrist des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO erfolgten Nachmeldung des Rechtsgrundes der vorsätzlich unerlaubten Handlung (zur Zulässigkeit dieser Nachmeldung vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 – IX ZR 220/06, ZInsO 2008, 325 Rn. 11 f) ist das Begehren auf Feststellung des Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung und damit der Durchsetzbarkeit der Forderung nicht begründet. Die gegen den Beklagten verbliebenen Forderungen sind nach Gewährung der Restschuldbefreiung insgesamt zu “unvollkommenen Verbindlichkeiten” geworden, die weiterhin erfüllbar, aber nicht erzwingbar sind (BGH, Beschluss vom 25. September 2008 – IX ZB 205/06, ZInsO 2008, 1279 Rn. 11 mwN). Dies gilt mangels einer rechtzeitigen Anmeldung unter Angabe des Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung (§ 302 Nr. 1 InsO) auch für die Forderung der Klägerin, die sie in Höhe von 13.737,21 € nachträglich mit Schreiben vom 19. Januar 2010 mit dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010, aaO für den Fall der schuldlos unterbliebenen Anmeldung). Auf die Frage, ob die Privilegierung des § 302 Nr. 1 InsO bereits mit der Anmeldung des Attributs zur Insolvenztabelle oder erst mit Feststellung zur Ta-12 belle eintritt, kommt es im Streitfall nicht an. Ebenso ist – anders als der Beklagte meint – nicht maßgeblich, ob die Gläubigerin die “verspätete” Nachmeldung der Privilegierung hinreichend entschuldigt hat und ob insoweit die Präklusionsvorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden sind. Mit Ablauf des 1. Oktober 2008 ist jedenfalls der letzte Zeitpunkt verstrichen, zu dem die Klägerin das von ihr geltend gemachte Privileg hätte nachmelden können.

(…) Nach der amtlichen Begründung des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze (InsOÄndG) vom 26. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2710) war es der Wille des Gesetzgebers, dem Interesse des Schuldners Rechnung zu tragen, möglichst frühzeitig darüber informiert zu werden, welche Forderungen nicht von einer Restschuldbefreiung erfasst werden (BT-Drucks. 14/5680 S. 29 Nr. 20). Der Gesetzgeber hat deshalb § 302 Nr. 1 InsO dahingehend geändert, dass der Gläubiger eine ausgenommene Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nach Erteilung der Restschuldbefreiung nur geltend machen kann, wenn er nach dem – durch das InsOÄndG vom 26. Oktober 2001 neu eingefügten – § 174 Abs. 2 InsO bereits bei der Anmeldung darauf hingewiesen hat, dass er der Auffassung ist, seiner Forderung liege eine unerlaubte Handlung zugrunde. Diese Ergänzung soll dem Schuldner die Möglichkeit geben, frühzeitig einzuschätzen, ob er sich einem Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung überhaupt unterwerfen will. Denn für den Schuldner würde es eine erhebliche Härte bedeuten, wenn er nach erfolgreichem Durchlaufen der Wohlverhaltensperiode erfahren würde, dass eine Forderung, die unter Umständen seine wesentliche Verbindlichkeit ausmacht, von einer Restschuldbefreiung nicht erfasst wird, weil ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt (…). Dem Schutz des Schuldners soll ferner auch der auf Initiative des Rechtsausschusses durch das InsOÄndG neu eingefügte § 175 13 Abs. 2 InsO dienen, der es dem Gericht aufgibt, den Schuldner konkret auf die Rechtsfolgen des § 302 Nr. 1 InsO und die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen, wenn ein Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet hat. Diese Vorschrift sei Ausdruck der besonderen Fürsorge gegenüber rechtlich wenig informierten Schuldnern, für die das Insolvenzverfahren und die anschließende Restschuldbefreiung existenzielle Bedeutung habe. Habe ein Gläubiger bei der Anmeldung seiner Forderung Angaben zu einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners gemacht und widerspreche der Schuldner nicht, so werde dieser Rechtsgrund von der Rechtskraftwirkung der Tabelleneintragung (§ 178 Abs. 3 InsO) erfasst. Damit wäre die Forderung von einer Restschuldbefreiung ausgeschlossen, ohne dass diese schwerwiegende Konsequenz dem Schuldner stets bewusst sein würde (…). Insgesamt ist aus der Neufassung der § 174 Abs. 2, § 175 Abs. 2, § 302 Nr. 1 InsO abzuleiten, dass es sich um Vorschriften handelt, welche der möglichst frühzeitigen Klärung der Frage dienen, ob und welche gegen den Schuldner gerichteten Forderungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind, weil sie auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010, aaO Rn. 24 (…) ).

(…) Mit diesem anerkannten Zweck der Vorschriften ist es nicht zu vereinbaren, dass eine Nachmeldung des Privilegs der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung auch dann noch zugelassen wird, wenn die sechsjährige Ab-14 tretungsfrist bereits verstrichen ist und die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Erteilung der Restschuldbefreiung ansteht. Die Zulassung von Nachmeldungen oder auch Neuanmeldungen von Forderungen, für die geltend gemacht wird, dass sie auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners beruhen, würde bedeuten, dass der Schuldner zwar ungeachtet des noch nicht aufgehobenen Insolvenzverfahrens einen Anspruch darauf hätte, dass unverzüglich über seinen Antrag auf Restschuldbefreiung entschieden und sein pfändbarer Neuerwerb von der übrigen Masse separiert wird, solange die Entscheidung über die Restschuldbefreiung nicht rechtskräftig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 – IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258 Rn. 14, 20, 38 f). Gleichwohl müsste der Schuldner nach Ablauf der Abtretungsfrist noch damit rechnen, dass Gläubiger, die ihre Forderung noch nicht angemeldet haben, diese noch mit dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung anmelden oder bei einer bereits vorher angemeldeten Forderung diesen Rechtsgrund nachträglich geltend machen. In Fällen, in denen die Restschuldbefreiung bereits erteilt, das Insolvenzverfahren aber noch nicht aufgehoben ist, bestünde jederzeit die Gefahr, dass die Restschuldbefreiung durch die Nachmeldung oder Neuanmeldung von deliktischen Forderungen entwertet wird. Dies ist weder mit dem Beschleunigungszweck der § 174 Abs. 2, § 175 Abs. 2, § 302 Nr. 1 InsO noch mit dem Gedanken der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, der den Regelungen ebenfalls zugrunde liegt (HK-InsO/ Landfermann, aaO; MünchKomm-InsO/Stephan, aaO; Pape in Pape/Uhländer, aaO; Uhlenbruck/Vallender, aaO), zu vereinbaren.

(…) Der vom Gesetzgeber mit den Gesetzesänderungen angestrebte Schutz des Schuldners (…) wäre unerreichbar, wenn Gläubiger die Voraussetzungen für die Feststellung ausgenommener Forderungen noch schaffen 15 könnten, obwohl die Zeit, innerhalb derer Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 InsO geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO Rn. 20 ff), bereits abgelaufen ist. Der Schuldner müsste bis zu der von ihm nicht zu beeinflussenden Aufhebung des Insolvenzverfahrens befürchten, dass immer noch Forderungen (nach-)gemeldet werden, für die das Privileg der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in Anspruch genommen wird. Rechtssicherheit gäbe es für ihn nicht. Umgekehrt könnten Gläubiger ungeachtet ihrer aus den § 174 Abs. 2, § 175 Abs. 2, § 302 Nr. 1 InsO zu entnehmenden Verpflichtung, ausgenommene Forderungen möglichst frühzeitig anzumelden (…), die nachträgliche Anmeldung des Privilegs beliebig verzögern, ohne eine Präklusion befürchten zu müssen.

(…) Im Hinblick auf die anstehende Verfahrensverkürzung ab dem 1. Juli 2014 durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (…) wäre Folge der Zulässigkeit von Nachmeldungen nach Erteilung der Restschuldbefreiung, dass Schuldner, welche die Kosten des Verfahrens und eine Befriedigungsquote von 35 Prozent aufgebracht und deshalb vorzeitig die Restschuldbefreiung nach Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt haben (§ 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO in der Ausschussfassung), trotzdem weiter mit der erstmaligen Geltendmachung ausgenommener Forderungen rechnen müssten. Dies würde dem Ziel der Verkürzung, dem Schuldner einen deutlichen Anreiz zu bieten, erhebliche Anstrengungen zu unternehmen, um seine Schulden abzubauen (…), massiv widersprechen. 16 Ein Schuldner, der damit rechnen muss, dass auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung weiter Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung an- oder nachgemeldet werden können, hat keinen deutlichen Anreiz, sich für die Befriedigung seiner Gläubiger einzusetzen.

(…) Ein anerkennenswertes Interesse der Gläubiger, den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung auch nach Ablauf der Abtretungsfrist oder sogar Erteilung der Restschuldbefreiung noch anmelden zu können, besteht nicht. Ob die unvollständige Anmeldung zu Beginn des Verfahrens auf einem Verschulden des Gläubigers beruht, ist unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010, aaO Rn. 19). Dies gilt auch für den vorliegenden Fall der Versäumung des Ablaufs der Abtretungsfrist. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht.

(…) Abgesehen von der Regelung des § 302 Nr. 1 InsO müssen Gläubiger auch sonst im Restschuldbefreiungsverfahren einen Rechtsverlust hinnehmen, sofern sie formellen Obliegenheiten nicht genügen. Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung im eröffneten Insolvenzverfahren müssen gemäß § 290 Abs. 1 InsO im Schlusstermin oder innerhalb einer an dessen Stelle bestimmten Frist gestellt werden. Ein nach dem Schlusstermin gestellter Antrag, mit dem einer der Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 InsO geltend gemacht wird, ist unzulässig (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – IX ZB 53/08, ZInsO 2008, 1272 Rn. 9; vom 12. Februar 2009 – IX ZB 158/08, ZInsO 2009, 684 Rn. 4; vom 3. Dezember 2009 – IX ZB 226/06, VuR 2010, 187 Rn. 2; (…) ). Dies gilt auch dann, wenn der Gläubiger von dem zur Begründung seines Antrags herangezogenen Fehlverhalten des Schuldners erst nach dem Schlusstermin erfahren hat. Das Nachschieben einer 17 Begründung ist auch bei nachträglicher Kenntniserlangung unzulässig. Das Gericht darf die Versagung nicht von Amts wegen auf andere Gründe stützen als die vom Antragsteller geltend gemachten (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2009, aaO Rn. 6). Ebenso bleibt ein Versagungsantrag unberücksichtigt, wenn es – gleich aus welchen Gründen – an einer Glaubhaftmachung des Versagungsgrundes im Schlusstermin fehlt; sie kann nicht in späteren Verfahrensabschnitten nachgeschoben werden (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2009 – IX ZB 33/07, ZInsO 2009, 1317 Rn. 5).

Im Hinblick auf diese Einschränkungen, die sich in der Wohlverhaltensphase mit der Beschränkung der Insolvenzgläubiger auf die Geltendmachung der Obliegenheitspflichtverletzungen des § 295 InsO gemäß § 296 Abs. 1 InsO fortsetzen, ist es unbedenklich, eine Präklusion anzunehmen, wenn der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht bis zum Ablauf der Abtretungszeit angemeldet wird. Ein rechtlich schützenswertes Interesse der Gläubiger, das Privileg der vorsätzlich begangenen Handlung nach diesem Zeitpunkt noch anmelden zu können, besteht nicht. Vielmehr wäre es systemwidrig, entsprechende Anmeldungen auch nach Ablauf der Abtretungsfrist noch zuzulassen.

(…) Auch verfassungsrechtlich ist der Ausschluss der Anmeldung nach Ablauf der Abtretungsfrist bedenkenfrei. Der Gläubiger könnte bei regulärem Ablauf des Verfahrens, bei dem nach wenigen Jahren das Insolvenzverfahren aufgehoben wird und die Wohlverhaltensphase beginnt, keine Forderung mehr anmelden und den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht mehr nachmelden. Damit wären sowohl die Nachmeldung des Privilegs als auch die erstmalige Anmeldung einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung ab dem Zeitpunkt der Aufhebung des Insol-19 venzverfahrens ausgeschlossen. Wenn aufgrund besonderer Umstände, deren Ursache für die hier zu entscheidende Frage nicht von Bedeutung ist, der Gläubiger die Chance erhält, die Forderung noch weit über den vom Gesetzgeber als regulär angesehenen Zeitpunkt der Aufhebung des Verfahrens hinaus anzumelden, folgt aus der Zulassung der Nachmeldung bis zum Ablauf der Abtretungsfrist allenfalls eine Bevorteilung des Gläubigers. Einen Nachteil erleidet er durch die Präklusion ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Abtretungszeit jedenfalls nicht. Von diesem Zeitpunkt an überwiegt das Interesse des Schuldners an der frühzeitigen Klärung der Frage, ob und in welchem Umfang Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung gegen ihn weiter geltend gemacht werden können. Auf die Frage, ob die Restschuldbefreiung bereits (rechtskräftig) erteilt wurde, kommt es dabei nicht an. Auch wenn die Erteilung noch aussteht, sind aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit Anmeldungen des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht mehr zulässig. Denn der Schuldner hat keinen Einfluss darauf, wann das Insolvenzgericht nach Ablauf der Abtretungsfrist über die Restschuldbefreiung entscheidet.

(…) Ob dem Schuldner später die Restschuldbefreiung erteilt oder versagt wird, ist nicht entscheidend. Kommt es zur Erteilung der Restschuldbefreiung, verliert die Forderung ihre Durchsetzbarkeit, weil sie nicht gemäß den Voraussetzungen des § 302 Nr. 1 InsO angemeldet worden ist. Wird dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt, kann die Forderung ungeachtet der Frage, ob sie auf dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht, weiterverfolgt werden. Die besondere Anmeldung des Privilegs hat für die Durchsetzbarkeit keine Bedeutung. Die Präklusion wirkt sich nur dann aus, wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt wird. Deshalb ist es sach-21 gerecht, dass ausgenommene Forderungen zumindest ab dem Ende der Abtretungsfrist nicht mehr angebracht werden können.

(…) Im Streitfall ist die Nachmeldung des Rechtsgrunds der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung mehr als sieben Jahre und drei Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt war die Abtretungszeit des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO schon mehr als ein Jahr und drei Monate abgelaufen. Über die Erteilung der Restschuldbefreiung hätte längst entschieden gewesen sein müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 – IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258). Die Gläubigerin war deshalb gehindert, ihrer Forderungsanmeldung aus dem Jahr 2002 die Anmeldung des Rechtsgrunds der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung für einen Teil der Forderungen nachzuschieben. Die Anberaumung eines Termins zur Nachprüfung (§ 177 Abs. 1 InsO) hätte nicht erfolgen dürfen. Einer Belehrung des Schuldners gemäß § 175 Abs. 2 InsO bedurfte es nicht, weil die Nachmeldung von vornherein zurückzuweisen war. Die fehlende Durchführung des Nachprüfungstermins am 20. Oktober 2010 ist ebenso unerheblich wie die unterlassene 22 Erinnerung der Klägerin an die Nachprüfung ihrer Forderung, die zu keinem anderen Ergebnis hätte führen können.

Überraschungen

keine

LG Koblenz, Entscheidung vom 09.06.2011 – 3 O 512/10 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 31.05.2012 – 1 U 861/11 -

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