BGH IX ZB 163/11

Beschluss vom 10.01.13
Fassung InsO vor 01.07.14

Wer spielt

Gläubiger stellt Versagungsantrag gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, 2. Runde, Ausgang offen, Heidelberg.

Verlauf

Der Vater der Schuldnerin stirbt am 17.06.09, während die Schuldnerin die sogenannte Wohlverhaltensphase durchläuft.

Zum Nachlass gehörte ein bebautes Grundstück. Die Schuldnerin unterrichtete den Treuhänder von der Erbschaft. Der Treuhänder fordert zur Zahlung des hälftigen Wertes des Erbteilanspruchs – rund TEUR 50 auf. Die Schuldnerin zahlt nicht und verweist auf den fehlenden Willen zur Auseinandersetzung des Bruders und Miterben.

Eine Gläubigerin stellt darauf gestützt einen Versagungsantrag.

Das Insolvenzverfahren war am 19.12.03 eröffnete und am 07.03.06 aufgehoben worden.

Ergebnis

Dem Schuldner obliegt es nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, während der Laufzeit der Abtretungserklärung, der sogenannten Wohlverhaltensphase, Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben.

Dieser Obliegenheit leistet er Folge, indem er eine Geldzahlung in Höhe des hälftigen Wertes der Erbschaft an den Treuhänder leistet. Weder eine Pflicht noch ein Recht besteht, die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände auf den Treuhänder zu übertragen.

Herausgabe des Wertes

“(…) Der Wortlaut des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist allerdings nicht eindeutig.

(…) Dass nur der Wert in Geld, nicht aber sonstige Vermögensgegenstände an den Treuhänder herauszugeben sind, folgt jedoch aus dem Zusammenspiel der Vorschrift des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO mit denjenigen Vorschriften, welche die Aufgaben, die Befugnisse und die Vergütung des Treuhänders regeln.

(…) Die Verwertung des Vermögens des Schuldners gehört in der sogenannten Wohlverhaltensphase, also nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, nicht zu den Aufgaben des Treuhänders

(…) Gehört es nicht zu den Aufgaben des Treuhänders, andere Vermögensgegenstände als Geld zu verwalten, kann der Schuldner seiner Obliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur durch Zahlung einer Geldsumme in Höhe des hälftigen Wertes des angefallenen Vermögens genügen. Besteht das von Todes wegen erworbene Vermögen – wie regelmäßig – nicht oder nicht nur aus Geld, muss der Schuldner es versilbern, wenn er den zur Erfüllung der Obliegenheit erforderlichen Geldbetrag nicht anders aufbringen kann.

(…) Die Verwertung des Anteils ist auch rechtlich möglich. Zwar kann ein Miterbe nicht über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen verfügen (§ 2033 Abs. 2 BGB). Er kann jedoch über seinen Anteil am Nachlass insgesamt verfügen (§ 2033 Abs. 1 BGB); darüber hinaus kann er nach Maßgabe der §§ 2042 ff BGB die Auseinandersetzung und Teilung des Nachlasses auch gegen den Willen der anderen Miterben betreiben.

(2) Die Verwertung eines Anteils am Nachlass ist rechtlich möglich. Über den Anteil als solchen kann jeder Miterbe jedoch allein verfügen (§ 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB). Jeder Miterbe kann außerdem – von Ausnahmefällen abgesehen – jederzeit die Auseinandersetzung, also die Teilung des Nachlasses verlangen (§ 2042 Abs. 1 BGB). Die Teilung richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen (§ 2042 Abs. 2, §§ 2046 ff, §§ 752 ff BGB (…).

(…) kann der Erbe erforderlichenfalls unmittelbar die Teilungsversteigerung betreiben (§§ 180 ff ZVG). Selbst dann, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung die Auseinandersetzung in Ansehung des Nachlas-12 ses oder einzelner Nachlassgegenstände ausgeschlossen hat (vgl. § 2044 Abs. 1 BGB), wofür es hier keine Anhaltspunkte gibt, kann ein Miterbe bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Auseinandersetzung verlangen (§ 2044 Abs. 1 Satz 2, § 749 Abs. 2 BGB); die Verpflichtung zur Herausgabe der Hälfte des Wertes der Erbschaft (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO) stellt einen solchen wichtigen Grund dar. Das bürgerliche Recht gibt dem Schuldner jedenfalls hinreichend Möglichkeiten an die Hand, die Auseinandersetzung und Verwertung des Nachlasses in dem erforderlichen Umfang auch gegen den Willen der übrigen Miterben herbeizuführen.

(…) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen die Ausschlagung einer Erbschaft, der Verzicht auf ein Vermächtnis und der Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteilanspruchs zwar keine Obliegenheitsverletzungen dar (BGH IX ZB 168/09). Diese Rechtsprechung beruht auf der Annahme, dass die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft ebenso wie diejenige über die Geltendmachung eines Pflichtteils oder eines Vermächtnisses höchstpersönlicher Natur ist (…).

Die Entscheidung darüber, ob eine Erbengemeinschaft auseinandergesetzt oder durch die Veräußerung des Erbteils für einen Dritten geöffnet werden soll, kann einen ähnlich persönlich geprägten Charakter haben.

Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ist jedoch der im Bürgerlichen Gesetzbuch vorausgesetzte “Normalfall”. Die Erbengemeinschaft ist nicht auf Dauer angelegt. Nach § 2042 Abs. 1 BGB kann jeder Miterbe jederzeit nach Maßgabe der §§ 2043 ff BGB die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen.

(4) Der Ablauf der Frist des § 287 Abs. 2 InsO entbindet den Schuldner nicht von der Obliegenheit, die während der Laufzeit der Abtretungserklärung angefallene Erbschaft zu verwerten und zur Hälfte ihres Wertes an den Treuhänder herauszugeben.

(…) Mit der Begründung des Beschwerdegerichts kann ein Verschulden der Schuldnerin nicht ausgeschlossen werden. Das Beschwerdegericht hat allein auf die (vermeintliche) Pflicht zur Übertragung des Erbteils auf den Treuhänder abgestellt, welche die Schuldnerin nicht habe kennen können; hierauf kommt es jedoch nicht an, weil eine derartige Pflicht nicht besteht. Stattdessen wäre zu fragen gewesen, ob die Schuldnerin alles ihr mögliche und zumutbare unternommen hat und noch unternimmt, um ihren Anteil am Nachlass zu verwerten und mit dem Verwertungserlös ihrer Obliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nachzukommen.

(…) Die Insolvenzordnung enthält keine Vorschriften darüber, wie zu verfahren ist, wenn der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung Vermögen von Todes wegen erwirbt, die Herausgabe des hälftigen Wertes des erworbenen Vermögens aber von der Verwertung des Nachlasses abhängig ist, die bis zum Ende der Laufzeit nicht abgeschlossen werden kann. Das Recht ist hier zweckentsprechend fortzubilden.

(…) Das Insolvenzgericht hat in einem solchen Fall die Entscheidung über den Antrag auf Restschuldbefreiung und über etwa gestellte Versagungsanträge aufzuschieben, wenn und solange der Schuldner nachvollziehbar darlegt und in geeigneter Weise nachweist, dass er die Verwertung des Nachlasses betreibt, aber noch nicht zu Ende gebracht hat. Einerseits kann nur so sichergestellt werden, dass das erworbene Vermögen, wie § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO es verlangt, hälftig zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger herangezogen wird. (…)

(…) Es ist Aufgabe des Schuldners, seine Bemühungen um die Verwertung des Nachlasses darzulegen und zu beweisen, weil er selbst am besten weiß, was er in dieser Hinsicht unternommen hat, und er auch allgemein für fehlendes Verschulden darlegungs- und beweispflichtig ist (BGH IX ZB 288/08). Sollte sich die Verwertung als undurchführbar erweisen, was der Schuldner darzulegen und zu beweisen hat, kann die Restschuldbefreiung nicht wegen einer schuldhaften Obliegenheitsverletzung versagt werden.”

Überraschungen

“(…) Mit der Erteilung der Restschuldbefreiung vor Herausgabe des hälftigen Wertes des erworbenen Vermögens wären die Insolvenzgläubiger endgültig ausgeschlossen; denn eine “Nachtragsverteilung” entsprechend §§ 203 ff InsO von erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung an den Treuhänder herausgegebenem Vermögen sieht die Insolvenzordnung nicht vor.”

AG Heidelberg, Entscheidung vom 08.12.2010 – 55 IK 31/03 R -
LG Heidelberg, Entscheidung vom 11.05.2011 – 4 T 26/10 -

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