BGH IX ZB 22/13

Beschluss vom 18.12.14
Fassung InsO vor 01.07.14

Wer spielt

Schuldner stellt Antrag auf Restschuldbefreiung im Zweitverfahren. Schuldner verliert. Halle.

Um was es geht

Verlauf

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wird in 2010 eröffnet. Mit dem Eröffnungsbeschluss gibt die Insolvenzverwaltung die selbständige Tätigkeit des Schuldners frei.

Der Schuldner stellt in 2012 – jetzt über das Vermögen aus seiner freigegebenen Tätigkeit – den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Zweitverfahren) und beantragt erneut die Erteilung der Restschuldbefreiung.

Ergebnis

Das zweite Insolvenzverfahren wird eröffnet.

Der zweite Antrag auf Erteilng der Restschuldbefreiung ist unzulässig, wenn über den ersten noch nicht entschieden ist. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO aF.

Rechtsschutzbedürfnis

“(…) Das Beschwerdegericht hat gemeint, dem Schuldner fehle das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung, weil diese in entsprechender Anwendung von § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO aF zu versagen sei.

(…) Es entspreche dem Sinn und Zweck der genannten Bestimmung, dass der Schuldner vorsichtiger wirtschaften solle, wenn er in den letzten zehn Jahren ein Restschuldbefreiungsverfahren durchlaufen habe.

(…) Die Regelung in § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist grundsätzlich analogiefähig.

(…) Dies hat der Senat für verschiedene Fallgestaltungen, in denen nach einem abgeschlossenen Erstverfahren ein erneuter Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt wurde, entschieden.

(…) Die Voraussetzungen einer Analogie liegen auch im Streitfall vor. (…)

(…) Sowohl die Regelungssystematik der §§ 287 ff InsO als auch Sinn und Zweck von § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO rechtfertigen eine Analogie.

(…) Die für einen zulässigen Restschuldbefreiungsantrag erforderliche Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO kann nicht wirksam für zwei verschiedene, zeitgleich stattfindende Verfahren abgegeben werden; die für das Zweitverfahren erklärte Abtretung würde wegen des noch anhängigen Erstverfahrens leer laufen. Mit Recht wird auch darauf hingewiesen, der Schuldner könne seinen Obliegenheiten nur in einem Verfahren nachkommen (…). Dies gilt etwa für die Obliegenheit des Schuldners, nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO Vermögenswerte, die er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte an den Treuhänder herauszugeben.

(…) Diese Norm soll einen Missbrauch des Insolvenzverfahrens zur wiederholten Reduzierung der Schuldenlast verhindern. Die Restschuldbefreiung soll als Hilfe für unverschuldet in Not geratene Personen dienen, nicht als Zuflucht für diejenigen, die bewusst finanzielle Risiken auf andere abwälzen wollen (…). Der Schuldner soll aus dem vorherigen Verfahren die richtigen Konsequenzen ziehen und zu einem vorsichtigeren Wirtschaften angehalten werden (…).

Überraschungen

Der redliche Schuldner kann nicht zweimal scheitern. Jedenfalls sieht der Gesetzgeber dafür keine Lösung vor.

“(…) Das zunächst eröffnete Insolvenzverfahren musste ihm Veranlassung sein, die mit der Freigabe der selbständigen Tätigkeit eröffnete Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs mit der gebotenen Vorsicht zu nutzen.”

Natürlich kann auch ein wirtschaftlicher Neuanfang trotz größter gebotener Vorsicht erneut scheitern. Wer sich in Gefahr begibt, kann darin umkommen.

Der Gesetzgeber müsste auch diesen Fall konstruktiv und realistisch regeln, ohnehin ist die Restschuldbefreiung auf die Redlichkeit des Schuldners gestützt. Redliche Schuldner können zwei oder mehrmals scheitern. Kommt bei Kapitalgesellschaften täglich vor.

AG Halle (Saale), Entscheidung vom 05.12.2012 – 59 IN 558/12 -
LG Halle, Entscheidung vom 01.03.2013 – 3 T 37/12 -

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