BGH IX ZB 65/07

Beschluss vom 03.07.08
Fassung InsO vor 01.07.14

Wer spielt

Gericht widerruft Verfahrenskostenstundung. Schuldner verliert. Esslingen, Stuttgart.

Um was es geht

Verlauf

Dem Schuldner werden die Verfahrenskosten zunächst gestundet und im weiteren Verlauf wieder entzogen, da Versagungsgründe vorlägen gemäß § 4c Nr. 5 InsO. Die Gründe der Aufhebung: eine Forderung gegen Dritte war im Insolvenzantrag nicht angeben hat.

Daneben wählte er die Steuerklasse 5 – zum Vorteil seines Ehepartners – und war weder bereit, diese zu ändern noch den Differenzbetrag im Vergleich zum pfändbaren Gehalt im Fall der Steuerklasse 4 nachzuzahlen.

Ergebnis

Die Verfahrenskostenstundung war zu widerrufen, da eine gerichtlich geltend gemachte Forderung des Schuldner – wenn auch in Prozessstandschaft für seine Mutter – im Insolvenzantrag nicht enhalten war.

Die Wahl der Steuerklasse V begründet den Widerruf ebenso, wenn sie ohne sachgerechten Grund erfolgt und zuungsten der Gläubiger und der Staatskasse erfolgt.

Der Widerruf wegen eines Versagungsgrundes verlangt nicht die tatsächliche Versagung der Restschuldbefreiung.

(…) “Beides rechtfertige die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung, weil es einen Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung darstelle.

(…) denn bei einer schon kraft Gesetzes statthaften, vom Beschwerdegericht aber irrtümlich zugelassenen, Rechtsbeschwerde sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO gleichwohl noch zu prüfen und das Rechtsbeschwerdegericht ist nicht gehindert, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2004 – IX ZB 90/03, (…)

(…) Soweit der Schuldner in seinem Vermögensverzeichnis eine von ihm im eigenen Namen eingeklagte Forderung in Höhe von 4.903,50 € nicht angegeben hat, hat der Senat bereits entschieden, dass die Nichtangabe einer Forderung eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Schuldners im Verfahren darstellt. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht im Verfahren rechtfertigt auch ohne die vorhergehende Versagung der Restschuldbefreiung die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung gem. § 4c Nr. 5 InsO (BGH, Beschl. v. 15. November 2007 – IX ZB 74/07, ZInsO 2008, 111, 112 Rn. 18). Soweit der Schuldner hierzu später an Eides statt versichert hat, die Forderung in Prozessstandschaft für seine Mutter eingeklagt zu haben, kommt es hierauf nicht an. Der Schuldner hätte die Forderung in jedem Fall – gegebenenfalls auch unter Hinweis auf die angebliche Prozessstandschaft – angeben müssen, um dem Gericht und den Gläubigern die Prüfung der Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse zu ermöglichen. Die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine für die Gläubiger interessante Forderung handelt, ist nicht Sache des Schuldners (BGH, Beschl. v. 7. Dezember 2006 – IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96, 97 Rn. 8)

(…) Auf die von der Rechtsbeschwerde als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage, ob die entsprechende Anwendung des § 4c Nr. 4 InsO auf die Steuerklassenwahl des Schuldners gerechtfertigt ist und eine die Gläubiger benachteiligende Wahl der Steuerklasse einer Verletzung der Erwerbspflicht gleichgesetzt werden kann, kommt es damit nicht an. Die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung ist schon aus den vorstehenden Gründen gerechtfertigt.

(…) Im Übrigen war die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung auch gem. § 4c Nr. 5 InsO wegen der zum Nachteil der Gläubiger erfolgten Steuerklassenwahl des Schuldners gerechtfertigt. Der Schuldner ist im Hinblick auf die Subsidiarität der Stundung der Verfahrenskosten verpflichtet, seine Steuerklasse so zu wählen, dass sein pfändbares Einkommen nicht zum Nachteil der Gläubiger und der Staatskasse auf Null reduziert wird. Hat er – wie im vorliegenden Fall – ohne einen sachlichen Grund die Steuerklasse V gewählt, um seinem nicht insolventen Ehegatten die Vorteile der Steuerklasse III zukommen zu lassen, ist ihm in Hinblick auf die Verfahrenskostenstundung zuzumuten, in die Steuerklasse IV zu wechseln, um sein liquides Einkommen zu erhöhen. Dies entspricht allgemeiner, auch vom Senat geteilter Auffassung (…). Ob der Ehegatte bereit ist, dabei mitzuwirken, ist unbeachtlich, zumal dem Schuldner gegen diesen ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss zusteht (…). Entsprechend den Grundsätzen der Individualzwangsvollstreckung, nach denen analog § 850h Abs. 2 ZPO eine missbräuchliche Steuerklassenwahl den Gläubigern gegenüber unbeachtlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 4. Oktober 2005 – VII ZB 26/05 (…) BAG, Urt. v. 23. April 2008 – 10 AZR 168/07 (…), muss sich auch der Schuldner bei der Verfahrenskostenstundung so behandeln lassen, als hätte er keine die Staatskasse benachteiligende Steuerklassenwahl getroffen. Die Aufforderung des Insolvenzverwalters an den Schuldner, in die Masse einen Betrag von 2.962,80 €, der die Verfahrenskosten gedeckt hätte, einzuzahlen, der der Schuldner nicht nachgekommen ist, war deshalb gerechtfertigt.”

AG Esslingen, Entscheidung vom 13.10.2006 – 5 IN 24/05 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.03.2007 – 2 T 460/06 -

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